Quo vaditis, JEF? – Anmerkungen zur Programmdebatte

Der folgende Artikel erschien, leicht lektoriert und unter anderem Titel, im treffpunkt.europa 04/2010 mit der Zielsetzungsetzung deutlich zu machen, warum die JEF eine Grundsatzprogrammdebatte braucht, wie diese organisiert werden kann und wie mögliche inhaltliche Rahmen aussehen könnte. Aufgrund der Seitenvorgabe, musst er deutlich gekürzt werden. Die gekürzten Teile werde ich in einem Folge-Treffpunkt und/oder hier im Weblog veröffentlichen.

Quo vaditis, JEF?

Anmerkungen zur Programmdebatte

I. Warum die JEF ein Grundsatzprogramm braucht

Mit dem Inkraftreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde ein großer Meilenstein der europäischen Integration erreicht. Nach dem Scheitern der Verfassung hatte die JEF lange für den Vertrag geworben. Vermutlich täte niemand unserem Verband unrecht, der feststellte, dass dies, in Verbindung mit dem allgemeinen Werben für die EU, lange den Schwerpunkt unserer politischen Arbeit bildete. Es galt das Etappenziel zu erreichen und es stellte sich manche Durststrecke ein, ja mitunter mussten wir Sorge haben, dass das Ziel vielleicht nicht erreicht werden würde.

Nun, nach dem wir das neue Vertragswerk haben, gilt es den Blick nach vorne zu richten. Für uns stellen sich neue Aufgaben: neben der kritischen Begleitung der Umsetzung, etwa bei der Europäischen Bürgerinitiative oder der Ausgestaltung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, müssen wir uns insbesondere auch die Frage stellen, wo unser Polarstern geblieben ist mit dessen Hilfe wir unseren Kurs bestimmen wollen.

Insbesondere die Finanz- und Wirtschaftskrise, die noch nicht bewältigt ist, gibt uns Föderalisten Rückenwind, da sie zeigt, dass es mit der Währungsunion alleine nicht getan ist. Gleichzeitig macht diese Krise aber auch deutlich, was falsch läuft: die Lösungen, an denen zur Zeit gearbeitet wird, sind intergouvernementaler Natur und konträr zu unseren Vorstellungen wie ein Vereintes Europa aussehen sollte.

Wir wissen: wir wollen mehr Integration, wir wollen weniger zwischenstaatliche Lösungen und wir wollen eine Fortentwicklung und Ausweitung der Gemeinschaftsmethode. Wie die Weiterentwicklung der EU nach Lissabon allerdings genau aussehen soll, können wir als Verband viel zu oft nicht beantworten, weil wir die Frage mit Hinblick auf den zunächst zu erreichenden Meilenstein vertagt hatten.

Deshalb gilt es jetzt sich zu besinnen, zurück zu schauen, einen kritischen Blick auf die Gegenwart zu werfen und dann nach vorne zu schauen und sich die Frage zu stellen, wie unser Europa der Zukunft aussehen soll. Dabei sollten wir mutig sein und keine Denkverbote akzeptieren. Wir sollten auch große Entwürfe nicht scheuen, wenn wir über den Verband hinausreichen wollen. Technische Details sind nicht unwichtig – und natürlich sollten wir in der JEF auch in Zukunft darüber streiten, wenn uns danach ist. Aber: um Menschen außerhalb unseres Verbandes für die Europäische Idee zu gewinnen brauchen wir möglichst klare Leitbilder.

II. Herausforderungen

Diese scheinbar einfache Forderung tatsächlich zu realisieren wird vermutlich die größte Herausforderung sein, vor der wir stehen werden. In den frühen Jahren unseres Verbandes war es vergleichsweise einfach große Bilder zu beschwören:

  • Die Erfahrung des Krieges und die Angst vor neuen Kriegen führte dazu, dass der Friedensbegriff deutlich weniger abstrakt war als er es heute für uns ist. Die Friedenssicherung war ein drängendes Anliegen das kaum der Begründung bedurfte.
  • Forderungen nach einer verstärkten Integration mussten nicht zwingend ausbuchstabiert werden, da jeder weitere Integrationsschritt, egal in welchem politischen Feld, ein Fortschritt war. Die Aussage „Wir wollen das Europa zusammen wächst“ war konkret genug. Die Entgegnung das Europa doch schon in hohem Maße zusammengewachsen sei eher selten.
  • Auch die Frage der Ausdehnung Europas stellte sich nicht so akut wie heute. Schon aus Erwägungen der Friedenssicherung bedeutete jedwede Ausdehnung mehr Stabilität. Gegenwärtig zeigt sich allerdings, dass „Erweiterung“ und „Vertiefung“ seltener komplementär gedacht werden können und sich zunehmend behindern.

Die Kunst wird darin bestehen, sich nicht in Details zu verlieren und die Komplexität des großen und komplizierten Gebildes EU so weit zu reduzieren, dass es auch für „Nicht-Spezialisten“ verständlich wird. Sie wird außerdem darin bestehen, nicht nur Nahziele vor Augen zu haben, sondern auch Entwürfe zu formulieren, die in der ferneren Zukunft liegen. Denn wie jeder, der sich ein wenig mit Astronomie beschäftigt hat, weiß: der Polarstern taugt als Navigationshilfe nur dann, wenn man sich ihm nicht allzu sehr angenähert hat

III. Themen

Die Themenfelder des neuen Grundsatzprogrammes sind leicht einzugrenzen. Wir brauchen klare Antworten auf die klassischen JEF- und Europa-Themen:

  • Erweiterung: Wo liegen die Grenzen Europas?
  • Vertiefung: Wie sollen die europäischen Institutionen beschaffen sein? In welchen Politikfeldern muss die Integration in welchem Maße vorangetrieben werden?
  • Identität: Was macht die europäische Identität aus? Was sind die Werte, die unserer Union zugrunde liegen sollen und müssen?

IV. Ziele

Das Ziel der Programmdebatte ist klar. Nach innen soll sie uns dabei helfen unseren Kompass neu zu justieren. Nach außen soll der Prozess dazu dienen ein Dokument zu erstellen, dass wir Außenstehenden, die mehr über unsere Programmatik erfahren wollen, in die Hand geben können und das klar sagt, was wir wollen und warum. Denn wir werden nur dann überzeugen, wenn wir begründen können, warum sich eigentlich jeder für unsere Idee eines föderalen Europas (und einer föderalen Weltordnung) begeistern können sollte.

V. Schlussbemerkung

Ich freue mich auf den Diskurs! Oft war die JEF Avantgarde. Nicht immer und zu jeder Zeit in ihrer über 60jährigen Geschichte. Aber oft genug. Wir sollten den Anspruch haben daran anknüpfen zu wollen. Europa braucht junge Menschen, die sich um die Zukunft Gedanken machen und die einen Gestaltungswillen haben, der sich nicht in sich selbst erschöpft, sondern auf vernünftigen Ideen beruht, deren Wesensmerkmal der Dienst am Menschen ist. Denn um nicht weniger geht es bei dem europäischen Projekt: um Frieden und Sicherheit und politische Strukturen, die es erlauben vernünftige Lösungen für politische Probleme zu finden, die ohne eine föderale Ordnung nicht und nur schwer lösbar sind.

Weitere Informationen zur Programmdebatte findet Ihr im Wiki: http://wiki.jef.de/Programmdebatte

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