Ein Politisches Programm für die JEF

Ich bin gebeten worden für die Verbandszeitschrift der Europa-Union einen einseitigen Überblick über den Verlauf der Programmdebatte zu schreiben. Der folgende Artikel ist nun diese Woche in „Europa Aktiv 4/2012“ veröffentlicht worden.

Zum letzten Bundeskongress hatte der Bundesvorstand der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) ein „Diskussionspapier für ein neues Grundsatzprogramm“ vorgelegt, das auf dem Kongress diskutiert wurde. Erfreulich viele Landes- und Kreisverbände wie auch Einzelmitglieder haben sich auch danach mit dem Entwurf beschäftigt und Rückmeldungen gegeben.

Große Einigkeit besteht darüber, dass das neue Programm in möglichst kurzer Form eine Darstellung der wesentlichen Grundpostionen der JEF beinhalten und diese verständlich vermitteln soll. Das neue Programm soll Arbeitsmittel sein; es könnte zum Beispiel neugewählten Kreisvorständen dazu dienen, sich schnell einen Überblick über die wesentliche Verbandsprogrammatik zu verschaffen und die JEF so souveräner vertreten zu können, sei es bei Straßenaktionen, Infoständen oder auf einem Podium. Auch Interessenten, die sich vor einem Beitritt genauer über die Programmatik informieren wollen, kann das politische Programm an die Hand gegeben werden. Das leidige Problem, dass wir keine Gesamtschau unserer wichtigsten Positionen haben, kann mit dem Programm auf elegante Art gelöst werden. Zu diesem Zweck braucht es eine möglichst einfache und klare Sprache und es muss bei Bedarf aktualisiert und fortentwickelt werden. Es soll sich um ein lebendiges, sich mit der Zeit veränderndes Programm handeln, nicht aber um einen Beschluss, der einmal getroffen und dann abgeheftet wird. Inhaltlich wurden in den Gliederungen vor allem vier Fragen kontrovers diskutiert: die Grenzen Europas, die Bedeutung des Weltföderalismus und die Bedeutung der direkten Demokratie sowie der Name für den Bundesstaat.

Besondere Relevanz besitzt die Frage nach den Grenzen Europas. So gibt es sehr unterschiedliche Standpunkte über die räumliche Ausdehnung der Union. Zwar scheinen sich die meisten Mitglieder in unserem Grundsatz, dass die Grenzen der Union nicht geographisch, religiös oder kulturell zu definieren seien, wiederzufinden; es ist aber auch festzustellen, dass beim Versuch, diesen Grundsatz zu konkretisieren, die Meinungen weit auseinander gehen. So gibt es JEFer, die die Funktionsfähigkeit der EU akut gefährdet sehen und jeden Gedanken an neue Erweiterungsrunden erst einmal ablehnen, während andere meinen, bestimmten Staaten müssten konkrete Beitrittsperspektiven eröffnet und deshalb auch im Programm benannt werden.

Ebenfalls kontrovers und noch sehr viel emotionaler wird der Umgang mit den äußeren Grenzen und die Ausgestaltung der Migrationspolitik der Union diskutiert. Einige Kreisverbände und Einzelmitglieder haben artikuliert, dass ihnen der Vorschlag des Bundesvorstandes zur Asylpolitik zu restriktiv sei und zu diesem Thema Änderungsanträge zu erwarten sind.

Uneinigkeit besteht auch darin, welchen Stellenwert der Weltföderalismus im Programm einnehmen soll. Im Entwurf wird diesem durchaus viel Platz eingeräumt, um den geforderten „visionären“ Charakter zum Ausdruck zu bringen und in historischer Kontinuität zu Hertenstein (drei der zwölf Thesen sind weltföderalistischer Natur) daran zu erinnern, dass der Föderalismus das zu Grunde liegende Prinzip der europäischen Integration ist – und nicht andersherum.

Diese prominente Betonung von Fernzielen behagt einigen JEFern nicht. Sie seien zu utopisch oder aber Ausdruck eines „hegemonialen“ Anspruchs, da nicht geklärt sei, ob der Föderalismus als universelles Prinzip auch über Europa hinaus sinnvoll sei.

Etwas weniger leidenschaftlich, aber doch sehr häufig wurde die Frage der direkten Demokratie aufgeworfen. Das klare Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie des Entwurfs wird geteilt. Es gibt allerdings einige Stimmen, die sich an der kritischen Haltung zu Volksentscheiden auf europäischer Ebene, die im Entwurf zum Ausdruck gebracht wird, stören, so dass zu erwarten ist, dass auch dieses Thema auf dem Kongress diskutiert werden wird. Last but not least: Seitdem der Entwurf vorliegt, entzündete sich eine Debatte um den Namen des europäischen Bundesstaates: Im Diskussionspapier verzichteten wir ursprünglich auf eine explizite Bezeichnung, haben uns dann aber entschieden, von den „Vereinten Staaten von Europa“ zu sprechen, da zuvor mangelnde „visionäre Kraft“ von Sprache und Inhalt bemängelt wurde. Während einige dies ausdrücklich begrüßen und meinen, dass der Name gut gewählt sei, weil er stutzig mache und auf etwas verweise, dass es noch nicht gibt, erinnert er andere zu sehr an den Bundesstaat jenseits des Atlantiks.

Welche Themen letztendlich wie debattiert und entschieden werden, ist offen. Jetzt schon ist sicher, dass der Programmprozess spannende Debatten zu Grundsatzfragen angeregt und dabei geholfen hat, dass wir uns im Hinblick auf die Krisenbewältigung besser aufgestellt haben, um ein lauter, hörbarer Verband zu werden, der in die richtige Richtung zeigt. Bei allen Unterschieden: Wir wollen den europäischen Bundesstaat!

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