“Europa muss weiter gehen!” – Teil 3: World Café

Im Anschluss an die Rede fand das World Café statt. World Cafés erwiesen sich, seit Ann-Kathrin Fischer sie 2009 im Bundesverband eingeführt hatte, als sehr beliebtes Format, weswegen wir es auch in diesem Jahr gerne wieder eingesetzt haben.

In drei Durchgängen gab es die Gelegenheit verschiedene Themen in kleinen wechselnden Runden mit maximal zehn Teilnehmern zu diskutieren. Dazu saß an jedem Tisch ein „Gastgeber“, der durch einen Impuls in das Thema einführte. Dies waren in der ersten Runde ein paar eigene Thesen, in den folgenden die Zusammenfassung der Diskussionen der Vorrunde. Es folgten sehr angeregte und anregende Diskussionen. Da ich selbst nur an zwei Runden teilnehmen konnte kann ich zu den meisten Tischen leider nur die Berichte aus dem Plenum wiedergeben.

An den Tischen wurden folgende Themen diskutiert:

  • Weltföderalismus (Gastgeber: Andreas Bummel, KDUN e.V.):
    Auf die Diskussionen an diesem Tisch habe ich mich besonders gefreut, da ich der Auffassung bin, dass wir es nicht versäumen sollten, gelegentlich über den Rand Europas hinaus zu schauen. Auch wenn die Schaffung eines föderalen Europas unser primäres Anliegen ist:  es ist kein Zufall, dass „europäisch“ das Adjektiv in unserem Namen ist.  Die Prinzipien des Föderalismus gelten universell und deshalb natürlich auch für die globale Ebene. Andreas stellte den idealen Gastgeber für diesen Tisch dar: er setzt sich nicht nur seit vielen Jahren für die föderalistische Idee einer Parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen ein, sondern war auch einige Jahre Mitglied im Vorstand des World Federalist Movement.Andreas stellte in der ersten Runde kurz die Idee Weltföderalismus vor und auch die Idee, dass viele Weltföderalisten davon ausgingen, dass sich dieser quasi in einer Art kultureller Evolution über Jahrzehnte und Jahrhunderte herausbilden würde. Eine interessante These, die leider nicht aufgegriffen wurde, da die politischen Aspekte auf mehr Interesse stießen.Einig war man sich darin, dass niemand sinnvoll bestreiten kann, dass es politische Regelungsbedarfe auf globaler Ebene gibt: die Sicherung des Weltfriedens, gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitiken für die globalisierte Wirtschaft und natürlich auch gemeinsame Abkommen zum Schutze des Klimas. So einsichtig allerdings auch die Forderung nach gemeinsamen Regeln ist, in der Praxis ist dies ein komplexes und schwieriges Unterfangen, da die Interessen der einzelnen Staaten teilweise weit auseinandergehen. Auch die Frage gemeinsamer politischer Grundwerte stelle sich. Die Einrichtung eines „Weltparlamentes“ wäre sinnvoll, aber nur beschränkt zu realisieren, da die Vereinten Nationen nicht nur demokratische Staaten als Mitglied haben. Menschenrechte und Demokratie müssten überall Geltung erfahren. So lange dies nicht der Fall sei, sei eine Souveränitätsabgabe an globalisierte Institutionen nicht möglich.  Eine parlamentarische Versammlung bei den Vereinten Nationen, wie das Komitee für eine Demokratische UNO sie fordert, sei deshalb zunächst nur als beratendes und kontrollierendes Gremium denkbar. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, wie mit kulturellen Unterschieden umgegangen werden sollte, da diese politische Entscheidungen stark beeinflussen und mitunter schwierig machen globale Regelungen zu finden.
  • Kerneuropa (Gastgeberin: Linn Selle, Bundesvorstand):
    Angesichts der Eurokrise stellt sich in letzter Zeit auch wieder verstärkt die Frage nach einem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“, bei denen die Eurozonenstaaten eine Art Kerneuropa bilden könnten.  Sollten Kerneuropa-Ideen realisiert werden bestünde die Gefahr zunehmender Widersprüche. So wäre zum Beispiel die Idee eines Eurozonenparlamentes innerhalb des Europäischen Parlamentes einerseits eine gute Möglichkeit mehr parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen, andererseits führte dies aber nicht nur zu Abgeordneten erster und zweiter Klasse,  sondern würde auch der Einführung gesamteuropäischer Parteien mit gesamteuropäischen Listen erschweren. Die Metapher der „Integrationstreppe“, bei der eine Staatengruppe vorgeht und andere folgen, wurde dabei diskutiert und fand durchaus bei einigen Diskussionsteilnehmern Anklang.
  • Durch Vertiefung aus der Krise (Gastgeber: Christian Beck, Bundesvorstand):
    Es wurde die aufgeworfen, ob wir ein EU-Finanzministerium benötigen. Dies wurde tendenziell bejaht, die Umzug könnte sich aber als schwierig erweisen. Parlamentarische Kontrolle und Entscheidungshoheit müsste sichergestellt werden. Die Einführung eines Zwei-Kammer-Systems wurde vorgeschlagen, bei dem der Einfluss des Parlaments gestärkt wird.
  • Die Rolle der Nation in einem vereinten Europa (Gastgeber: Knud Andresen, JEF-Schleswig-Holstein):
    Die Ideengeschichte der Nation wurde angerissen und Identitätsbildung diskutiert.
  • Krise und Öffentlichkeit (Gastgeber: Michael Dollinger, Bundesvorstand)
    Es wurde darüber diskutiert, ob und inwieweit sich die Berichterstattung über die Krise ausgewirkt auf die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit ausgewirkt hat. Tendenziell wurde die Ansicht vertreten, dass die Krisenberichterstattung positiv sei, dass die Probleme in den Mittelpunkt gerückt werden und damit Aufmerksamkeit für europäische Themen geschaffen worden sei. In der Krise läge eine große Chance: eine positive Bewältigung der Krise könnte zu weniger Europa-Skepsis führen.
  • Jugendproteste in Europa (Gastgeber: AG Soziales Europa, u.a. Hauke Petersen):
    Es gibt verschiedene Gründe für die Jugendliche auf die Straße zu gehen; der arabische Frühling wurde angesprochen und Ähnlichkeiten mit europäischen Protesten diskutiert. Die „Besetzung“ öffentlichen Raumes wurde als möglicher Ausgangspunkt einer gesellschaftlichen Diskussion gesehen; Jugendarbeitslosigkeit und Wohnungsnot können Ausgangspunkte für Proteste sein. Die Jugend sieht oftmals keinen Sinn mehr darin, herkömmliche demokratische Prozesse für sich zu nutzen; die Aktion „Uni brennt“ wurde angesprochen; auch kam die Frage auf, welche Legitimation  Protestbewegungen haben.
  • JEF-Europe (Gastgeberin: Pauline Gessant, Europavorstand)
    Pauline berichte über die Arbeit der JEF Europe und den Mehrwert den der Dachverband den Mitgliedssektionen böte. Die JEF-Europe versteht sich insbesondere als Kommunikationsplattform. Es wird insbesondere auch über Newsletterversandt, Diskussionslisten und Wiki gesprochen. Auch die aktuelle Beitragsdiskussion war natürlich ein Schwerpunktthema.
  • Planspiele (Gastgeber: Martin Meiske, JEF Berlin):
    Die Teilnehmer haben vielerlei Erfahrungen mit Planspielen und tauschen sich über Methodik und den Einsatz dieser aus.
  • treffpunkt.europa (Gastgeber: Vincent Venus, Marian Schreier, Thomas Wittmann, Treffpunkt Redaktion):
    Dieser Tisch diente im wesentlichen dem Feedback zum Treffpunkt. Ein Ergebnis: zukünftig sollen Themenvorschläge an die Redaktion geschickt werden um zum Schreiben zu animieren. Es soll wieder mehr Berichte aus den Landesverbänden geben und eine bessere Verbindung von Print- und Online-Ausgabe hergestellt werden.

Für besondere akustische Untermalung des World Cafés sorgte eine Fehlfunktion der Feuermelder, die in jedem Raum angebracht waren und über eine halbe Stunde einen wahnsinnigen Lärm verursachten. Dies ermunterte einige JEF’er dazu sich selbst zu behelfen und einige der Melder aufzuschrauben und auszumachen.
In Folge dessen habe ich von einem wütendem Mitarbeiter der Jugendherberge sowie dem Einsatzleiter der Feuerwehr, die angerückt war, einiges über Brandschutz gelernt und darüber, dass die „Manipulation“ von Rauchmeldern ein Straftatbestand sei. Vom Rufen der Polizei wurde dann aber glücklicherweise abgesehen.

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